Charlotte Gneuß schrieb mit ihrem Romanerstling Gittersee 2023 einen Bestseller. Jetzt las sie im großen Saal des Musikforums des Gymnasiums St. Michael vor dem Abiturabschlussjahrgang.
Im Gespräch mit der Autorin erfuhren die 130 Schülerinnen und Schüler des Abschlussjahrgangs in der Vormittagsveranstaltung am Freitag, 13. September, dass immerhin knapp ein Prozent der inoffiziellen Stasi-Mitarbeiter Minderjährige waren. Charlotte Gneuß hat die Erzählung lose an einen wahren Fall in der damaligen DDR angelehnt. Doch der atmosphärisch dichte und sprachlich-literarisch imponierende Roman, der sich an Erwachsene wie Jugendliche gleichermaßen richtet, entstammt ganz ihrer eigenen Erfindungskraft. Er vereint Elemente einer berührenden Liebesgeschichte, typische Probleme des Heranwachsens mit dem einerseits normalen und dann auch andererseits wieder bedrückenden Alltag in einer Diktatur.
Mit großer Aufmerksamkeitverfolgte das Publikum, das das ungefähre Alter mit der Romanhauptfigur teilt, dem Gespräch und der Lesung mit der Autorin. Gittersee ist ein Vorort von Dresden, ein Arbeiterviertel, das mit seinem Personal ganz anders geprägt ist als z B. das Intellektuellenmilieu in Uwe Tellkamps berühmtem Turm-Roman, wie die Autorin verriet.
Drei Schüler des Jahrgangs Philipp Heimann, Piet Söhl und Philip Wibbe hatten zusammen mit dem Deutschlehrer Dr. Andreas Kolle das Gespräch vorbereitet, das mit großem Geschick der Schüler in wesentliche Aspekte des Romans einführte. Charlotte Gneuß legt Wert darauf, dass sie ihre Romanfiguren nicht als Schwarz-Weiß-Figuren anlege, sondern in ihrer Vielschichtigkeit zu zeigen versuche. Der Stasi-Mann sei gewiss schuldig, aber eben auch ein verblendeter Idealist. Die Leseausschnitte, die sie in ruhigem Ton eindrucksvoll-konzentriert präsentierte, zeigten einen literarisch anspruchsvollen, historisch lehrreichen und zugleich spannenden Stoff. Was sie der Zuhörerschaft im Musikforum als Lehre empfehlen könne? Die Autorin zögerte etwas, riet dann jedoch dazu, in den entscheidenden Momenten des Lebens den Mund aufzumachen und sich nicht wegzuducken. Der musikalische Anfangspunkt des Vormittags, der ganz im Zeichen der Literatur stand, wurde von der Schülerin Madita Diekmannatmosphärisch stimmig am Klavier gesetzt. Am Ende der 90minütigen Begegnung waren sich Schülerinnen und Schüler wie auch die enorm sympathische Autorin gleichermaßen darin einig, einen eindrucksvollen Vormittag verbracht zu haben.
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Text: Dr. A. Kolle
Fotos: Tina Klatte (Q2)