Unter dem Motto Zivilcourage oder Wegschauen steht das Theaterstück „Unter Zwang“ des Ensembles „Exil-Theater“, welches am 22. Januar im Musikforum für den Jahrgang 9 aufgeführt wurde:
Bürgermeisterin Polska, gespielt von Anne-Britta Dohle, wirbtvor einer Klasse für ihren Beruf und möchte sich vor den Schülerinnen und Schülern für Zivilcourage und gegen das Wegschauen einsetzen. Unterbrochen wird sie immer wieder durch Zwischenrufe des Lehrers Siegel, gespielt von Marius Meschede, der ihre Flüchtlingspolitik kritisiert und generell ihre weltoffene Haltung als fragwürdig herausstellt. Er hat offensichtlich einen rechtsradikalen Hintergrund und schreckt auch vor Drohanrufen bei der Bürgermeisterin nicht zurück.Die Handlung nimmt ihren Lauf und gipfelt in einem Einbruch des Lehrers bei der Bürgermeisterin. Diese sieht sich zur Notwehr gezwungen und verletzt den Eindringling mit einem Messer. Im zweiten Teil des Stücks wird diese Tat in einem Gerichtsprozess verhandelt.
Das Besondere: Die Zuschauer sind Teil des Stücks. Sie werden im ersten Teil als Schülerschaft angesprochen und immer wieder zu Stellungnahmen herausgefordert: Wie sollen wir geflüchtete Menschen nennen, Flüchtlinge, Fliehende oder Flüchtige? Wie soll man mit provozierenden Posts umgehen, welche die „Endlösung Hallenbäder“ fordern, da „Flüchtlinge an Wasser gewöhnt“ sind? Und wie stehen wir zur „Remigration“ und den Menschen, die diese verlangen? Am Ende des Stücks müssen sich die Lernenden positionieren und sprechen in unserem Fall die Bürgermeisterin frei. Möglich gewesen wäre auch ein anderer Ausgang des Stücks.
Im Anschluss wird diese Vorgehensweise besprochen und die Lernenden haben Gelegenheit, Fragen zu stellen. Anne-BrittaDohle, Marius Meschede und Sarah Mevers klären über die Entstehung des Stücks auf und diskutieren mit den Schülerinnen und Schülern z.B., ob eine Verurteilung wegen rechtswidriger Beschaffung von Beweismaterial scheitern kann oder ob hier doch der gesunde Menschenverstand den für den Zuschauer offensichtlich schuldigen Lehrer zur Rechenschaft ziehen darf.
Dem Ensemble ist es gelungen, die Schülerschaft über zwei Unterrichtsstunden zu fesseln und zur aktiven Beteiligung zu bewegen. Kalt lässt diese Thematik sicherlich niemanden, vor allem wegen der aktuellen Zitate und authentischen O-Töne aus der medialen Berichterstattung, die immer wieder einfließen. Am Ende bleibt deshalb nur die Frage, wie viele Schülerinnen und Schüler am heutigen Abend zur Demonstration gegen den Bürgerdialog der AFD und deren rechtspopulistischer Haltung rund um den Schützenplatz erscheinen werden.
Text/ Foto: I. Niemann